Tracht und Habitus, 2011

Salzsee: Salzlösung (Kupfersulfat/Natriumchlorid), PE-Folie, PE-Schlauch;
Salzbilder: verschiedene Salze, Leinwand; Vitrinen: Spanplatte, Farbe, Glas
Installation in der Kleinen Orangerie am Schloss Charlottenburg
ca. 1,3 x 22 x 4 m
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"Das in der zunächst blau gefärbten Salzlösung enthaltene Wasser verdunstet während der Laufzeit der Ausstellung und hinterlässt eine leuchtend grüne Kristallwiese.
An den beiden Langseiten des Salzteichs sind dreizehn Vitrinen angeordnet, in denen Leinwände lagern, auf denen Mineralsalze in einem monatelangen Kristallisationsprozess Salzreliefs abgelagert haben.

Halit, Steinsalz, Kochsalz, Natriumchlorid, weiße milchige, meist kubische Kristalle. Kupfersulfat, blaue Kristalle. Gelbes und Rotes Blutlaugensalz. Kalialaun, farblos transparent. Chromalaun, dunkelviolett.

Liest man diese Liste denkt man an Bergwerke, Chemielabore, Mineralienhändler, Naturkundemuseen. Weit gefehlt. Es sind die Materialien, aus denen die Arbeiten des Künstlers Markus Wirthmann entstehen. Die eingesetzten Mineralien werden dabei in Lösungen angesetzt und dann weitestgehend sich selbst überlassen. Licht, Luftdruck, Temperatur und andere Komponenten tun dann ein Übriges.

Der Künstler beendet nach ästhetischen Entscheidungen den Prozeß bzw. dieser endet mit der vollständigen Auskristallisierung der Flüssigkeiten. Dann trifft der Künstler eine Auswahl der gelungenen oder zu verwerfenden Ergebnisse. Die Formate reichen dabei von kleinen, auf Bildträgern gewachsenen, bis zu mehreren Quadratmeter großen Bodengebilden. Der Prozess ist ergebnisoffen, und man darf auf das Ergebnis gespannt sein.

Umwelteinflüsse bestimmen wesentlich die Entwicklung wie Verfärbung und Göße sowie Form der Kristalle. So basieren Wirthmanns Arbeiten seit längerer Zeit auf Experimenten mit Grundsubstanzen. Das erinnert natürlich an die Arbeit von Alchemisten und an die hohe Wertschätzung von Kristallen als Kunstobjekten in der Zeit des Barock. Die Schriften Athanasius Kirchers, dieses Universalgelehrten, Sammlers und Visionärs der Barockzeit, kommen einem dabei genauso in Erinnerung wie die vielleicht umfangreichste Verbindung von Kunst, Natur, Wissenschaft und Philosophie in den Sammlungen Rudolf des II. in Prag, diesem Geisteszentrum Europas im Ausgang des 16. Jahrhunderts und vor den zerstörerischen Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges. So erzeugt Wirthmann mit einfachen Mitteln Werke und Spiegel, die weit zurückverweisen und gleichzeitig grundlegende Fragen an Ästhetik, Natur und Wissenschaft stellen."

(aus: Peter Lang, zu Tracht und Habitus)