Äolische Prozesse - AvW, 2011

Quarzsand, Windmaschinen, Labortisch
Installation in der ehemaligen Stadtvilla des Malers Anton von Werner, Berlin
ca. 2,2 x 4 x 4,5 m

Der hier gezeigte Aufbau dient der Erzeugung äolischer (winderzeugter und -geformter) Strukturen aus feinem Sand. Ein Labortisch, dessen Oberfläche aus Glasplatten besteht, dient als Objektträger und ermöglicht mit seiner glatten Oberfläche die gleichmäßige Verteilung des Sandes über die ganze Fläche. Zwei Ventilatoren, ausgestattet mit Windleiteinrichtungen, die den Luftstrom entwirbeln und homogenisieren, werden auf das Sandvolumen gerichtet und erzeugen je nach Anstellwinkel und Position sowie Stärke des Luftstroms sehr unterschiedliche skulpturale Formationen im Sand.

In der Installation im Anton-von-Werner-Haus, Berlin, werden zwei Dünenfelder frontal aufeinander zu getrieben. In der Mitte zwischen den beiden Winderzeugern heben sich die Windströmungen auf und der Sand kommt zur Ruhe und wird abgelagert.

Die Labortische wurden beim Amt für Wasserstraßenbau für Strömungsexperimente eingesetzt. Die Spuren des letzten Experiments vom Oberlauf der Elbe dienen in dieser Anordnung als „natürliche” Hindernisse, um die Entstehung der dünenähnlichen Strukturen zu fördern.
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"Die äolischen Prozesse, die er in mehreren Ausstellungen thematisiert hat, leben durch die recht unterschiedlichen Ausführungen der laboratoriumsmäßigen Anordnung. Er zeigt die Werkzeuge, die Instrumente und lässt den Betrachter in das unspektakuläre Ereignis eintauchen. Gerade durch diese Zurückhaltung, Einfachheit, aber auch Stringenz ergibt sich das gewünschte Ergebnis. Der Rezipient hat die Möglichkeit, sich auf das subtile Spiel einzulassen, aus dem eigentlichen Nichts, der Leerstelle an Kunst, entsteht das charismatische Element. Einfühlung und Reflexion können so zu einem wirklichen Erlebnis werden.
So heißen zum Beispiel zwei Installationen „Kaskadisches Volumen-Annäherungsverfahren“, aufgebaut im Jahr 2005 in Gießen und in Aschersleben. Da fragt man sich zuerst, was ist denn das für eine schräge pseudowissenschaftliche Benennung, und dann steht man davor, sieht den Sand durch Etagen wie im Regal rieseln und ist fasziniert von den Kratern und Tälern, die entstehen. Ein Landschaftserlebnis mit geomorphologischem Hintergrund stellt sich ein. Ironisch verfremdet kommt man so zu einem Erlebnis wie im Gebirge – oder als stünde man vor einem Bild Caspar David Friedrichs.
Man versteht das Weltmodell.
Ausgangspunkt der Beschäftigung mit Sand als skulpturalem Element war ein Aufenthalt in der Namib-Wüste anlässlich eines Symposiums im Jahr 2001. Dort konstruierte Markus Wirthmann, mit ausschließlich vor Ort aufgefundenem Material, ein Observatorium zur Sonnenbeobachtung. Dabei erkundete er fast nebenbei Wüstendünen, die im Großmaßstab die Folge „äolischer Prozesse“ sind. Daraus entstanden zwei große Installationen, „Äolische Prozesse - Wüste, Kunstbank Berlin 2005“ und „Äolische Prozesse - Wüste, Kunstsammlung Gera 2004“. Im White Cube simulierte der Künstler diese äolischen Prozesse en miniature, geschrumpft und pars pro toto fürs Museum angepasst. Die Mittel sind dabei wie üblich absichtlich einfach gehalten: Ventilatoren, Windleiteinrichtung, Aluleiter, Behälter, div. Elektrik, Quarz- und Dünensand."

aus: Peter Lang 2008 im Katalog zur Ausstellung "Äolische und andere Prozesse"